Arbeitsgrundlagen

Im Jahre 1924 wurde Rudolf Steiner (1861-1925) von jungen, engagierten Mitarbeitern eines Behindertenheimes gebeten, auf der Grundlage der anthroposophischen Menschenkunde Anregungen zu geben für die Erziehung von Kindern mit „geistiger“ Behinderung. Damals galten Kinder mit „geistiger“ Behinderung im Hinblick auf ihre Entwicklungsmöglichkeiten als so eingeschränkt, dass weder von einer Erziehungsmöglichkeit noch von einem Schulbesuch ausgegangen wurde.

1924 hielt Rudolf Steiner einen umfangreichen Kurs über Heilpädagogik. Wie jeden gesunden Menschen betrachtete er auch das „behinderte“ Kind als ein sich in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht weiterentwickelndes Wesen.

Die zentrale Aussage seiner Ausführungen war, dass den auffälligen Störungen oder Verzögerungen in der seelischen und körperlichen Entwicklung eines „behinderten“ Menschen ein gesunder geistiger Kern zugrunde liegt. Dieser gesunde Kern, die Individualität des Kindes, erfährt durch die Behinderung Einschränkungen in ihrer Möglichkeit sich zu äußern und zu entfalten. Vergleichbar ist die Situation dieser Kinder mit einem Pianisten, der seine musikalischen Fähigkeiten auf einem verstimmten Klavier nicht zum Ausdruck bringen kann.

Die anthroposophische Heilpädagogik sieht ihre Aufgabe darin, dem Kind die Möglichkeit zu geben, sich seiner Persönlichkeit entsprechend zu entfalten und zu entwickeln. In Unterricht und Therapie wird darauf hingearbeitet, die körperliche und seelische Entwicklung so zu fördern, dass die individuellen Kräfte gestärkt werden können. Wie jeder gesunde Mensch seine Lebensaufgabe finden und gestalten möchte, so soll auch dem Menschen mit Behinderung die Möglichkeit gegeben werden, seine Lebensaufgabe so auszuführen, wie seine Individualität sie sucht und verlangt.